Maschinist

Jugendstilkraftwerk Heimbach

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Die Elektrifizierung der Eifel

„Es ist schon etwas seltsam. Früher war in diesem Jugendstilbau der Lärm so ohrenbetäubend, dass sich der Obermaschinist nur mit Trillerpfeife und Glocke bemerkbar machen konnte. Ich hatte meine Arbeitssachen an, war mit Öl beschmiert und von der Arbeit an den wärmestrahlenden Maschinen durchgeschwitzt. Und jetzt, sitzen hier Frauen in schicken Kleidern und Männer in ihren besten Anzügen und hören Mozart, Rachmaninow und Bartholdy. Aber von vorne:

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war diese Gegend eines der schwerst zugänglichen, ärmsten Gebiete am Rande des Deutschen Reiches. Die Menschen hatten mit Hungersnöten und Krankheiten zu kämpfen. Mit dem Bau des Wasserkraftwerks hier in Heimbach im Jahr 1904 wurde das „Armenhaus der Nation“ dann aber zum Vorreiter in Sachen Innovation. Der Grund hierfür war die geographische Lage: Die Rur und die Urft führten mal zu viel und mal zu wenig Wasser, Trockenheit und Überschwemmung wurden zum Problem der anliegenden Fabriken. Ein Stausee sollte dieses Problem lösen – und dort, wo Wasser gestaut wird, kann auch Strom produziert werden. Und so baute man neben der Staumauer auch einen 2.748 m langen Stollen hierher nach Heimbach. Seitdem fließt das Wasser von der Urfttalsperre, durch das natürliche Gefälle von 110 Metern, einmal quer durch den Kermeter und kann hier in Strom umgewandelt werden.

Der Strom in der Eifel führte dann auch zu einer echten Kulturveränderung: Wenn es früher im Winter dunkel wurde, mussten die meisten Tätigkeiten eingestellt werden. An Lesen oder Arbeit im Freien war nicht zu denken. Die Haushalte besaßen Petroleumlampen, die bestenfalls in wenigen Zimmern ein Schummerlicht erzeugten.

Der Hof, der Stall, die Schlafräume waren finster. Zwar kannten größere Ortschaften Straßenbeleuchtung mit Gas, in den kleineren war das aber nicht an der Tagesordnung. Als in der Eifel dann das Licht anging und der Mensch über die Nacht „siegte“, verschob sich damit die Grenze zwischen Tag und Nacht. Auf einmal konnte bis spät in die Nacht gearbeitet werden, der Strom betrieb Maschinen und schuf so neue Produktivität. Das war für die Eifel ein großer Gewinn und nicht umsonst, hatten wir Maschinisten aus dem Kraftwerk ein gutes Ansehen in der Bevölkerung.

Maschinist im Jugendstilkraftwerk Heimbach

Als aus Wasser Strom wurde, kam Licht ins Dunkel der Eifel

Bei seiner Einweihung war das Wasserkraftwerk Heimbach das modernste und größte in ganz Europa und versorgte die gesamte Region von Aachen nach Düren und Jülich bis an die Mosel. Schon zehn Jahre später war es zu klein, um die Strommengen zu produzieren, die die Region inzwischen verbrauchte. Weitere Energieerzeuger mussten her und damit war das Jugendstilkraftwerk nicht mehr die einzige Energiequelle der Region.

Und obwohl der Stromverbrauch immer weiter stieg, nahm die Anzahl der benötigen Maschinisten immer weiter ab: Zu Beginn waren wir noch zu viert im Einsatz, um die Maschinen zu bedienen, die von den acht Turbinen angetrieben wurden. Mit dem Umbau im Jahr 1975, bei dem ein neues, moderneres Kraftwerk in die Hülle des Jugendstilkraftwerks gebaut wurde, brauchte man dann nur noch eine Person, die die Maschinen anfährt und abstellt oder im Notfall Bereitschaft hatte. Und heute – mit der neuesten Leittechnik – sind die Maschinen über das Internet von überall steuerbar. Aber während sich drumherum alles verändert hat, ist das Bauwerk auch nach 100 Jahren so gut wie unverändert.

Und jetzt, jetzt erklingt hier regelmäßig die schönste Kammermusik der Welt. Beim Festival „Spannungen“, das hier jedes Jahr in der ersten Junihälfte stattfindet, sitzen die Leute jetzt andächtig zwischen Art-Deco Lampen, glänzenden Messinginstrumenten und alten Turbinen – meinen guten alten Turbinen – und lauschen der besten Kammermusik der Welt, gespielt von internationalen Starmusikern.“